Meditation auf das Licht – Tratak
In der Hatha Yoga Pradipika gibt es eine Übung auf das Licht. Man verwendet in der Regel eine Kerze. Der praktische Grund dafür ist, dass vor 700 Jahren nur Kerzen und keine Glühbirnen zur Verfügung standen. Aber das wir immer noch mit einer Kerze meditieren hat andere Gründe.
Diese Übung heißt Tratak. Tratak bedeutet übersetzt „sehen“ oder „starren“: „Konzentriere dich mit fixiertem Blick auf einen kleinen Gegenstand bis die Tränen kommen.“
Es ist gleichzeitig eine Konzentrations- und eine Augenübung.
Die Vorbereitung ist einfach:
- Eine Kerze mit der Flamme auf Augenhöhe eine Armlänge entfernt aufstellen. Die Flamme sollte möglichst ruhig sein.
- Der Sitz ist aufrecht (Wirbelsäule und Kopf) und angenehm.
Ausführung:
- 1- 2 Minuten möglichst ohne zu blinzeln auf das obere Ende des Dochts schauen. Der Blick sollte nicht anstrengend sein. Wenn es anstrengend wird oder die Augen tränen, die Augen schließen und auf das Bild der Kerze auf der Netzhaut schauen (Augenbrauenzentrum).
- Die Konzentration sollte sowohl bei geöffneten als auch bei geschlossenen Augen auf die Kerze ausgerichtet sein. Wenn die Gedanken abwandern, mit der Aufmerksamkeit zurück kommen.
- Am Anfang reichen 3 Wiederholungen. Man kann diese Übung auch 10 Minuten machen.
- Nach der letzten Runde sollten die Augen entspannt werden, indem die Hände leicht auf die Augen gelegt werden.
Wirkungen von Tratak:
- reinigt den Geist von alten leidvollen Gedanken
- stärkt die Konzentration und Willenskraft
- beruhigt das Nervensystem
- befreit von nervlicher Anspannung
- wirkt Angst und Schlaflosigkeit reduzierend
- fördert das Gedächtnis
- stärkt die Sehkraft und belebt das Gehirn über die Sehnerven
- macht die Augen klar und leuchtend
- bereitet auf die Meditation vor, da die Gedanken zur Ruhe kommen
(aus: Yoga für alle Lebensstufen, Gräfe und Unzer, 6.Auflage 1993, Asana Pranayama Mudra Bandha, Satyananda Yogazentrum 2003)
Tratak ist auch eine Meditationsmethode. Die Meditation über die Kerze kann Erkenntnisse bringen zu den Lebensthemen Verschmelzung, Auflösung, Hingabe, Anfang/Ende, Feuer, Wärme, inneres Feuer, inneres Licht. Es kann sowohl die allgemein gültige als auch die persönliche Verbindung oder Einstellung zu den Themen sein.Im Yogasutra wird als eine Übung die Meditation auf das innere Licht vorgeschlagen (YS 3.32). In tiefer Meditation haben die Menschen einen inneren Zustand erfahren, den sie mit lichtvoll und hell beschreiben. Das Licht steht für die Erkenntnis und die Befreiung von Leid. Im Gegensatz dazu fühlt sich das Erleben von Leid eher eng und dunkel an. Wir kennen die Metapher vom „Licht am Ende des Tunnels“, wenn eine schwierige Zeit zu Ende geht, positive Veränderungen und Lösungen sich abzeichnen. Wir verbinden über viele Generationen hinweg Licht mit Wärme, Geborgenheit, Schutz (vor Tieren und Feinden) und Freude. So haben die Meditierenden eine Erfahrung des eigentlichen, spirituellen Selbst gemacht, dass sie bildhaft mit dem inneren Licht beschrieben haben, das, wenn es zum Vorschein kommt, alles Dunkle (Leid) auflöst. Was bleibt, ist ein Zustand von Glück (ananda), Klarheit (viveka) und Erkenntnis (samadhi).
Der Fokus dieser Meditation ist im Herzzentrum. Eine schöne und einfache Übung.
Ich wünsche Ihnen und Ihren Lieben lichtvolle Festtage und ein glückliches, gesundes und achtsames 2019!
Ihre Helga Brinkmann
(Foto:privat)