Kriya Yoga – Der Dreiklang Leidenschaft-Selbststudium-Hingabe: 3.Hingabe

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Das erste Element des Kriya Yoga ist Leidenschaft – tapas- , die so intensiv ist, dass kein Hindernis und keine Ablenkung die Kraft hat, um den Menschen von seinem Weg zum inneren Zustand von Yoga abzubringen. Die Intensität entspringt dem inneren Verlangen, das ihn immer weiter treibt. Dieses Verlangen gibt dem Menschen die Kraft, Hindernisse zu überwinden und Rückschläge zu verkraften. Es ist nicht Pflicht und Disziplin, sondern eine immense innere Sehnsucht nach einem inneren Zustand von Erkennen, wer er/sie ist und was die Welt wirklich ist. Was ist die Quelle dieses Verlangens? Das führt uns zum dritten Element: Isvarapranidhana.

Das zweite Element ist das Studium über sich selbst -svadhyaya. Sei es aus alten Textquellen, die den Weg und das Ziel beschreiben, wie das Yogasutra, neuere Texte aus unserer Zeit, durch einen Lehrer (Guru) und am meisten durch die eigene Beobachtung erkennen wir unsere Konditionierungen, Verletzungen und Irrtümer über uns selbst und die Welt. Sie halten uns immer wieder beschäftigt und blockieren diesen inneren Zustand von Wissen, innerem Frieden und Glück.

Diese beiden – tapas und svadhyaya– allein reichen nicht, um zum Ziel von Yoga zu gelangen. Es gehört die Hingabe dazu – das Loslassen. Im Yogasutra heißt der Begriff isvarapranidhana. Der Begriff ist für uns heute nicht ganz einfach. Sehr häufig findet man die Übersetzung „Gott“ und isvarapranidhana als die Hingabe an Gott oder eine göttliche Kraft. Und dann wird daraus abgeleitet, dass Yoga eine Religion sei und zum Hinduismus gehöre. Dagegen spricht, dass es zur Zeit des Yogasutra keine Idee eines Gottes in Indien gab.

Das Yogasutra muss also etwas anderes damit meinen, als die Bedeutung, die dieser Begriff später bekam. Hingabe ist eine Haltung, die auf einer tiefen inneren Gewissheit und des Vertrauens beruht, frei von Zweifeln ist und unabhängig von anderen Meinungen, schwierigen Umständen oder Unbequemlichkeiten. Vielleicht haben Sie die eine oder mehrere solcher Situationen erlebt, genau zu wissen was zu tun ist, unbeirrbar Ihren Weg zu gehen. Das gilt sowohl für „kleine“ Situationen im Alltag als auch für große Schritte oder Veränderungen im Leben. Oft erfordern diese Situationen eine Menge Kraft, die wundersamer Weise zur Verfügung steht und Disziplin, die nötigen, auch unbequemen, Schritte zu tun. Nur ist es keine Disziplin, keine Pflicht, für die der „innere Schweinehund“ überwunden werden muss. Es ist vielmehr eine erfüllende, man könnte sagen „natürliche“ Anstrengung, die sogar Freude macht. Sich von dieser inneren Kraft führen zu lassen wobei egoistische Motive und Erwartungen keine Rolle mehr spielen, also nicht mal mehr losgelassen werden müssen, wird Hingabe genannt. Dies ist aber keine passive, abwartende Rolle, sondern führt in das Tun, denn kriya bedeutet ja handeln, aber aus einer anderen Haltung heraus. Eine passive Deutung passt nicht in den Kontext von kriya yoga, dem Yoga der Tat.

Woher kommt diese innere Haltung? Die Kraft, die Gewissheit, die Disziplin? Sie erwächst aus isvarapranidhana. Es gibt scheinbar nicht DEN einen Begriff, der dies vollständig wiedergeben könnte. So wird dieser innere Zustand umschrieben als unsere innere Essenz, die in unserem Herzen wohnt. Es ist wohl damit gemeint, dass es ein sehr subtiler, tiefer, oft verborgener oder schwer zu erfahrender innerer Zustand ist. Er ist anders als unserer Zustand im Alltag mit unseren vielen Gedanken und Beschäftigungen. Und er ist losgelöst von unserem konditionierten Ego, das uns im Kreislauf unserer Erfahrungen und Gefühle gefangen hält. Unsere innere Essenz wird als frei davon beschrieben und kennt keine Ängste, Projektionen und Irrtümer. Im Vergleich zu unseren „lauten“ Gedanken ist sie sanft und oft erst zu bemerken, wenn die Gedanken zur Ruhe kommen. Im Zustand von isvarapranidhana handeln wir frei und sicher.

Weil isvarapranidhana nicht zutreffend mit Worten zu beschreiben ist, haben Menschen versucht, sich mit Bildern und Vergleichen auf der Basis der Erkenntnisse ihrer Zeit verständlich zu machen. Götter, in der Form von Naturgottheiten, waren den Menschen zur damaligen Zeit bekannt. Und so benannte man diesen inneren Zustand von isvarapranidhana auch eine göttliche Kraft, als etwas, das sich vom Ego abhebt. Diese göttliche Kraft oder Essenz manifestiert oder zeigt sich in allem Lebendigen, in der Natur, aber auch in fester Materie wie z.B. Steinen. Sie wirkt durch alles Lebendige hindurch. Die göttliche Essenz, um in der Begrifflichkeit zu bleiben, will sich manifestieren durch das Leben. Sie wirkt durch uns und wir erfahren dadurch diese Verbindung. Darauf beruht unsere unerschütterliche Gewissheit und unser Vertrauen. Manchmal wird auch gesagt, dass in diesen Situationen wie oben beschrieben, die Kraft wirkt und nicht wir selbst. Wir werden geführt. Hier ist Achtsamkeit geboten, denn allzu schnell wird dann die Verantwortung für unsere Fehler und Irrtümer abgeschoben: Nicht ich tue es, sondern die göttliche Kraft. Der Punkt ist so komplex, dass er hier nicht erörtert werden kann. Nur so viel: Das ist damit nicht gemeint! Isvavapranidhana ist ein ganz besonderer Bewusstseinszustand, den man letztlich wohl nur ganz versteht, wenn man ihn persönlich erlebt.

Eine Möglichkeit, isvarapranidhana zu erfahren, kann die Yogapraxis sein. Lauschen Sie bei Ihrer nächsten Yogapraxis mal nach innen: Sind Sie auf der Matte, weil Sie sich das vorgenommen haben? Weil es Ihre selbstauferlegte Pflicht ist? Weil Sie ein disziplinierter Mensch sind? Hat die Yogapraxis etwas von einer To-Do-Liste, die Sie mechanisch abarbeiten? Oder fühlen Sie eine innere Sehnsucht, Freude, Gewissheit? Nicht nur in der Entspannung danach, sondern währenddessen?

Beachten wir alle drei Elemente des kriya yoga- tapas, svadhyaya, isvarapranidhana – und handeln mit Leidenschaft, Bewusstheit und Hingabe führt uns der Weg zum Zustand von yoga: In und mit der Welt erkennen wir uns selbst und die Welt, erkennen was Leben bedeutet und es lösen sich Schwierigkeiten und Probleme.