Svādhyāya ist Bestandteil der niyama. Svādhyāya folgt den ersten drei niyama 1. sauca/Die Reinigung, der Reinigungsprozess der zu 2. samtosa/Zufriedenheit, inneren Frieden führt 3.tapas/Inneres Feuer, Leidenschaft, Askese. Ebenso wie tapas kommt svādhyāya bereits am Anfang des Kapitels als Teil des kriyā yoga vor.
In welchem Zusammenhang steht der Begriff hier?
Was bedeutet er?
Welche Bedeutung hat svādhyāya in der Yogapraxis und im Alltag?
Für svādhyāya gilt wie für alle anderen niyama, dass sich die Bedeutung nur im Zusammenhang mit dem ganzen Text des Yogasutra erschließt. An dieser Stelle einige wichtige Stichworte zur Einführung. Ausführlich finden Sie die Erläuterung in dem Beitrag Die niyama:
- Ziel von yoga und damit der niyama ist die Entwicklung von innerer Ruhe (nirodha, YS 1.2) und Klarheit im Geist (viveka, YS 2.26/3.54/4.26)
- Dieser ruhige geistige Zustand ist notwendig, um den Bewusstseinszustand von samādhi, kaivalya, yoga (YS 1.46, 2.25), wie das allumfassende Bewusstsein und die innere Freiheit mit verschiedenen Begriffen genannt wird, erfahren zu können
- Die niyama sind Teil des achtgliedrigen (astanga) Übungsweges (sādhana pāda), der zu diesem Bewusstsein führt
- Als Teil dieses praktischen Übungsweges sind die niyama keine Theorien oder moralischen Vorschriften
Der Begriff svādhyāya im Yogasutra und in Bezug zu den niyama
Der Wortstamm svā bedeutet (das) Selbst und ādhyāya Studium. Das sutra kann man so übersetzen, dass das ständige Bemühen oder Lernen über sich selbst uns mit der inneren Essenz, der Quelle, dem Göttlichen (devatā) in uns verbindet. Svādhyāya bringt uns zur „Einheitserfahrung“, einem Bewusstsein, in dem wir uns nicht als getrennte Wesen erfahren, sondern als Teil des Ganzen, so wie ein Tropfen im Meer auch Teil des Ganzen ist. Wir erleben uns im Alltag jedoch als vom Rest getrennte Tropfen.
Das Bewusstsein wird Transzendenz oder transzendentales Bewusstsein genannt. In religiösen Texten wird das Ganze als das Göttliche oder Gott bezeichnet. Die Einheit mit Gott oder Gotteserfahrung hat nichts mit der Gottesvorstellung eines alten Mannes mit Bart im Himmel zu tun.
Die niyama beschreiben eine Art und Weise des Umgangs mit uns selbst, der uns zu dieser Quelle führt. Unser Ausgangspunkt ist unser alltägliches Bewusstsein, das wir auch mit dem Begriff Ego oder ICH bezeichnen. Die Funktionsweise dieses Geistes kennenzulernen ist wichtig, weil wir darüber erfahren, was uns hindert, im Zustand des allumfassenden Bewusstseins zu sein.
Es gilt also, unsere inneren Hindernisse (antarāya YS 1.29/1.30) sowie unsere Denkmuster der Täuschungen, Verstrickungen, Abneigungen, Vorurteile und Ängste (klesa YS 2.3) zu erkennen. Wir handeln blind, unbewusst, reaktionär, gespeist aus der Quelle von Erfahrungen, Mustern, Prägungen, entstanden aus Mangel oder Überfluss. Und unser unbewusstes Verhalten führt zu Verletzungen, negativen Gefühlen, Reaktionen, die wir selbst nicht und schon gar nicht unser Gegenüber einordnen können. Erst wenn wir sie erkennen, können wir uns davon befreien, oder reinigen, wie es im Yogasutra heißt. Das ist das erste niyama, sauca (YS 2.40) der Reinigungsprozess. Ebenso wie der Reinigungs- ist auch der Erkenntnisprozess ein langer und steiniger Weg. Dafür brauchen wir eine feste Überzeugung, Leidenschaft und ein inneres Feuer- tapas, das vorhergehende niyama.
Haben wir mit tapas diesen Reinigungsprozess durchgeführt und sind dabei die Hindernisse und die klesa, die den Geist immer wieder in Unruhe versetzen, beseitigt, dann kommen unsere Bedürfnisse zur Ruhe, wir sind zufrieden und glücklich (3.niyama samtosa YS 2.42). Dann wird der Geist still (nirodha) und rein (sattvisch) und wir kommen in Verbindung mit dem Wesenskern oder dem Göttlichen (devatā).
Was bedeutet Selbststudium?
Das Yogasutra enthält keine näheren Angaben. In anderen alten Texten finden sich zwei Interpretationen:
- Das Studium von Texten: Zu diesem Punkt gehört auch der Jnana-Yoga, der Yoga des Wissens und Erkennens allein aus den alten Schriften. Durch das Studium spiritueller oder religiöser Texte oder auch Biografien weiser Menschen kann das eigene Selbst erkannt werden. So gehört es noch immer zur Ausbildung (in Indien), Texte wie das Yogasutra auswendig zu lernen. Auch die Mantren gehören zu diesen Texten.
- Das Selbststudium als Reflektion und Selbstbeobachtung: Das eigene Verhalten und die Gedanken zu beobachten und darüber zu reflektieren läßt uns unsere Muster erkennen, die das Selbst verdecken. Das Wort dhyana (YS 2.11, 2.29, 3.29) das stille Reflektieren oder die Konzentration in der Meditation ist das 7.Glied des achtgliedrigen Pfades (astanga) im Yogasutra, dem der Zustand von samādhi folgt.
Der Vedantalehrer Shankaracharya nennt noch zwei weitere Möglichkeiten, das Selbst zu ergründen, denn diese beiden allein reichen nicht:
- Das Studium mit einem Lehrer (Guru), der das Bewusstsein von samādhi bereits erreicht hat oder den Weg bereits gegangen ist. Aber auch das reicht allein nicht.
- Die besten Inspirationen von außen, die klügsten Worte können nicht die eigene Erfahrung, die eigene Praxis ersetzen. Die kann nicht an andere delegiert werden. Krishnamurti benutzt den Begriff vom „pfadlosen Land“, denn jede/r Suchende muss den Weg selbst finden. Die Erkenntnis durch die eigene Erfahrung ist unbedingt erforderlich. Kein anderes Wissen ist so nachprüfbar, sicher und tief. Der Weg, wie er in diesem Kapitel des sadhāna, als praktischer Übungsweg beschrieben wird, ist ein Weg der Erfahrungen. Die yama-Gewaltfreiheit, Ehrlichkeit, Nicht stehlen, maßvoller Umgang mit den Bedürfnissen, Genügsamkeit- werden in der Welt gelebt und erfahren, ebenso wie die niyama Reinheit und Zufriedenheit. Die Erfahrung im Alltag ist nicht durch Theorie zu ersetzen.
Svādhyāya in der Praxis – 1. Das Studium von Texten
Alle Wege des Selbststudiums haben ihre Berechtigung und ergänzen sich.
Alle Bücher oder Texte, die der Erforschung des Selbsts dienen, können studiert werden. Neben den indischen Quellentexten ( Bhagavadgita, Upanischaden, Ramayana,Yoga vasista, die Mantren/japa/das Tönen usw.) können auch andere philosophische Texte der Antike, religiöse Texte wie die Bibel, der Koran, buddhistische Texte, Texte der Mystiker (Meister Eckhart, Teresa von Avila u.a.), Biographien von Krishnamurti oder Aurobindo oder auch Texte der Gegenwart wie Willigis Jäger, Eckhard Tolle u.a. gelesen werden. Es hängt davon ab, welchen Zugang ein Mensch zu seiner Spiritualität findet. Alle diese Texte haben denselben Kern. Um zu diesem Kern zu gelangen, gibt es verschiedene Wege.
Es empfiehlt sich, die Texte immer wieder zu lesen um sie immer mehr zu durchdringen und zu verstehen. Der Zugang zu den Texten kann anfangs schwierig sein, weil die Terminologie und die „Materie“ fremd ist, die Übersetzungen teilweise widersprüchlich oder schwer verständlich sind. Am Anfang steht deshalb das intellektuelle Verstehen des Textes. Aber dort bleibt man nicht stehen. Mit jedem Lesen wird etwas mehr verstanden, so das man den Text immer wieder mit einem neuen Verständnis liest und nie auf demselben Niveau beginnt. Mit der Auseinandersetzung mit den Texten wächst ein Verständnis für und Einblick in die Zusammenhänge und die Bedeutung für das eigene Leben, das in den eigenen (engen) Grenzen des Geistes nicht möglich ist.
Mahatma Gandhi trug laut seiner Biografie immer ein Exemplar der Bhagavadgita mit sich. Wenn er ein Problem hatte, hat er sie aufgeschlagen und dort eine Antwort gefunden. Die Texte können uns also auch in unserem Alltag eine Hilfe sein oder uns inspirieren, weil sie den Blick(-winkel) auf ein Thema verändern können.
Diese Texte unterscheiden sich von der Unterhaltungsliteratur, Büchern zur beruflichen Fortbildung, des wissenschaftlichen Wissenserwerbs oder der Selbstoptimierung (im Sinne des Ego). Die Texte vermitteln auch Wissen, sie können auch spirituelle Elemente (z.B. über den Kosmos, das Leben) enthalten, aber sie haben eine andere Funktion und wollen etwas anderes vermitteln. Dieses Wissen befreit uns nicht von unseren Unsicherheiten und unseren Ängsten.
Svādhyāya in der Praxis – 2. Das Selbststudium
Die āsana-Praxis
Das Selbststudium beginnt oftmals unbeabsichtigt: Mit der āsana-Praxis. Mit dem Fokus auf den Körper erfahren wir etwas über seine Möglichkeiten und Grenzen, Schmerzen, Blockaden und Empfindungen, die uns im Alltag entgehen. Es ist nicht ein intellektuelles, sondern ein Erfahrungswissen. Wir lernen unsere Haltungs-und Bewegungsgewohnheiten kennen, Stärken und Schwächen und können daraus Veränderungen ableiten und zukünftiges Leid vermeiden- so wie es im Sutra 2.16 heißt. Je länger wir praktizieren, desto sensibler und subtiler wird unsere Wahrnehmung für die feinen Strukturen, z.B. für die Faszien. Wir kommen über die Bewegung auch in Kontakt mit unseren Gefühlen und Gedanken (vermeintlich nicht gut genug zu sein, zu wenig zu üben, zu wenig abhyāsa/Disziplin zu haben, sich zu vergleichen). Auch alte Gefühle, die in den Geweben gespeichert waren, können sich wieder zeigen. So wird unsere āsana-Praxis zu svādhyāya. Unsere Praxis bekommt einen (neuen) Fokus.
Die Meditation mit Meditationsobjekt
Diese Erfahrungen können wir mit in die Selbstreflektion, in die Meditation nehmen. Am Anfang geht es darum, zu lernen sich zu konzentrieren (dhāranā 2YS 2.29/3.1). Das Yogasutra und andere Texte schlagen vor, den Geist mit etwas zu beschäftigen, ihm eine Aufgabe zu geben, bei der er bleiben kann. Denn unser Geist neigt zur Unruhe (viksepa). Das ist eine Aufgabe der Meditationsobjekte. Jedes beliebige Objekt, das diesen Zweck erfüllt, ist möglich. Für Hindus ist es ein Mantra oder das OM (beides kann aber auch ohne religiösen Bezug verwendet werden), es kann der Atem, eine Kerze, die Sterne und vieles andere mehr sein (YS 3.Kapitel).
Die Meditation/Reflektion über spirituelle Texte
Spirituelle Texte oder Sätze können auch als Meditationsobjekt verwendet werden. Sie geben der Meditation eine Ausrichtung und verhindern, nur um sich selbst zu kreisen. Zugleich kann das Verständnis über sie in der Reflektion vertieft werden, weil der Bewusstseinszustand in der Meditation ein anderer ist als im Alltag. Die Reflektion soll dazu führen, sich selbst besser zu verstehen, etwas bewusst machen bzw sich bewusst machen, wer ich bin.
Die Meditation mit dem inneren Beobachter/der inneren Beobachterin
Auch die eigenen Empfindungen und Gedanken können wir aus einer Position des Beobachters/der Beobachterin reflektieren. Dann ist unser Geist selbst das Meditationsobjekt. Dies geschieht in der Vipassana-Meditation. Im Unterschied zum Schriftenstudium entspringt die Selbstreflektion dem eigenen Denken. Diese Art der Meditation führt dazu, die eigenen Denkmuster, die antaraya und klesa zu erkennen. Als würde man eine Zwiebel schälen entdeckt man immer tiefere Schichten. Es sind die Schichten des Ego. Wir lernen zu unterscheiden, was zum Ego gehört und deshalb nicht das Selbst sein kann (neti, neti– nicht dies, nicht das). Wir kennen das Selbst damit noch nicht, aber je mehr Schichten wir entfernen, desto mehr kann es dann durchscheinen und erfahrbar werden. Mehr können wir nicht tun.
Wir lernen, dass der Körper, die Psyche, die Emotionen, die Gedanken, die Persönlichkeit nicht unser Selbst sind, sondern unser Ego. Und wir lernen, dass wir dies bisher verwechselt haben, entwickeln jetzt Unterscheidungsfähigkeit (viveka) und können damit ein wichtiges avidyā (YS2.3/2.4) auflösen. Manchmal führt es zu Verwirrung und einem neuen avidyā, wenn es verkürzt heißt, ich bin nicht mein Körper, ich bin nicht meine Gedanken usw. Natürlich sind wir das auf unserer Alltagsebene auch. Zu einem mental gesunden Geist gehört auch ein Körperbewusstsein. Warum sonst sollten wir Verantwortung für den Körper übernehmen, ihn gut behandeln und nicht in den Schmerz gehen oder ihn im Schmerz halten? Wenn wir nicht unsere Gedanken sind, dann haben wir auch keine Verantwortung dafür. Stimmt das? Wir sind alles, nur dürfen wir die Ebenen nicht verwechseln. Solange es diesen Körper gibt, gehört er zu mir, aber zu denken, dass sich das Selbst auf diesen Körper allein beschränkt und es nichts anderes gibt, macht mich abhängig, löst Existenz- und Todesängste aus. Und diese Vorstellung ist avidyā.
Man kann sich auch eine Leinwand vorstellen, auf der die Gedanken, Gefühle, Körperempfindungen und Sinneswahrnehmungen auftauchen, sich eine Weile zeigen und dann auch wieder gehen. Wir halten sie nicht auf. Wenn wir all das beobachten können, identifizieren wir uns nicht damit, sondern sind mehr und mehr reines Bewusstsein.
Das Selbst als Meditationsobjekt
Wenn wir also immer mehr über uns selbst erkennen, können wir über das Selbst reflektieren. Es ist immer möglich, denn das Selbst ist immer da. Wir konzentrieren uns uns nicht mehr darauf, was wir wahrnehmen, auf die Inhalte, sondern entwickeln das Gewahrsein dafür, wer die Erfahrung macht. Wer ist der Meditierende? Nicht das, was wahrgenommen wird ist Meditationsgegenstand, sondern wer ist der/die Wahrnehmende? Ich bin der/die Wahrnehmende. Damit schaffen wir ein Zentrum und wir verlieren uns nicht mehr in dem was wahrgenommen wird: Ich bin hier, ich nehme das alles wahr – Wut, Ärger, Angst und wir sind nicht mehr in dem Gefühl gefangen. Dies ist eine Phase des Übergangs. Wir installieren ein ICH. Dann ist die Frage: Wer installiert das ICH? Und so gehen wir weiter vor, bis nichts mehr da ist. Was bleibt ist das Selbst, das wir dann erkennen können.
Das spirituelle Tagebuch
Eine Form der Reflektion ist das Tagebuch. Die Gedanken und Gefühle zu formulieren kann den Geist klären. Zuerst bemerkt man, wie schnell der Geist von einem Gedanken zum anderen springt („Affengeist“), um welche Themen er immer wieder kreist, die sich stets wiederholen. Um diese Gedanken zu Papier zu bringen (besser als digital), müssen sie wenigstens etwas strukturiert und mit den passenden Worten ausgedrückt werden. Das klärt das eine oder andere schon während des Schreibens. Das Schreiben ist Teil des Erkenntnisprozesses.
Eine Variante des Tagebuches ist, sich immer wieder die gleichen Fragen zu stellen (nur Beispiele):
- Was sind/waren meine Motive?
- Was bereitet mir Schwierigkeiten?
- Welche (Vor-)Urteile, welche „Schubladen“ habe ich? Woher kommen Sie?
- Welche Überzeugung habe/hatte ich? (sog. Glaubenssätze)
- Welche/s Denk-, Gefühls-oder Handungsmuster habe/hatte ich?
- Welches Gefühl beherrscht gerade mein Denken und Handeln? Was steht dahinter?
- Was motiviert mich in der Tiefe?
- Warum bin ich hier?
- Was treibt mich an? Was bremst mich aus?
Eine Frage, die gerade die meiste Aufmerksamkeit auf sich zieht, kann man als Thema wählen und sich immer wieder fragen-und warten, welche Antworten auftauchen. Also nicht grübeln, analysieren und rational damit beschäftigen (obwohl das besonders am Anfang und auch später manchmal passieren kann), sondern geduldig auf Antworten warten. Sie werden mit Sicherheit auftauchen.
Das Tagebuch kann man auch als Ergänzung zur Meditation führen, indem man nach der Meditation aufschreibt, welche Gedanken aufgetaucht sind.
Es ist wie immer hilfreich, es täglich zu führen, wenn auch nur 10 Minuten. Man kann sich vielleicht morgens etwas Zeit nehmen, wenn der Geist noch nicht so abgelenkt ist oder abends (und dann auch fragen: Was war heute gut? Wo war ich zufrieden? Wofür bin ich dankbar?)
Zeit für svādhyāya
Svādhyāya ist ein andauernder Prozess der Wahrnehmung unseres inneren Zustandes und kann in jedem Moment im Alltag geschehen, z.B. an der Supermarktkasse, im Wartezimmer beim Arzt, auf dem Bahnsteig usw.- statt diese „Pufferzeiten“ mit dem Starren auf´s Handy totzuschlagen und auf dem Gedanken- und Unruhekarussell aufzusteigen. Je öfter dies gelingt, desto mehr schreiten wir auf dem Weg voran.
Da im Alltag oft die Bewusstheit fehlt, ist es erforderlich, sich Zeit für das Lesen von Texten und die Meditation zu nehmen. Und auch im weiteren Verlauf des Weges ist es wichtig dabei zu bleiben, wenn man fortschreiten will. Wieviel Zeit kann ich mir realistischerweise dafür nehmen? Kann ich jeden Tag 20-30 Minuten erübrigen? Und habe ich dann noch genug Energie dafür? Am Morgen vor den Tagesaktivitäten mit frischem Geist oder am Abend? Oder ist mein Tag so ausgefüllt und so erschöpfend, dass dies nicht möglich ist? Gibt es dann trotzdem eine Möglichkeit? Vielleicht am Wochenende? Und wenn es auch am Wochenende keine Möglichkeit gibt-was mache ich dann? Dann ist die erste Übung, die Ursachen zu ergründen, tief zu ergründen. Dies kann man allein versuchen, aber um an die wirklichen Ursachen zu kommen, ist wahrscheinlich eine Unterstützung nötig.
Zusammenfassung
Svādhyāya inspiriert, erhebt den Geist, klärt Zweifel auf dem Yogaweg.
Es beseitigt die Unreinheiten im Geist und schafft neue spirituelle Furchen im Geist, in denen er sich bewegen kann. Es vermindert das Herumwandern des Geistes, viksepa. Es hilft der Konzentration. Es dient dem Geist als Weide, auf der er grasen kann. Es erfüllt den Geist mit sattva, Reinheit. Es hilft der Konzentration und Meditation.
Mit svādhyāya können wir unsere begrenzte individuelle Persönlichkeit überwinden und zu einer Einheitserfahrung gelangen. Es bedeutet, sich seiner selbst bewusst zu werden, indem das eigene Denken und Handeln beobachtet und hinterfragt wird. Wir hören auf, die Antworten auf unsere Fragen im Außen zu suchen, wie wir es gelernt haben und gewohnt waren.
Als Teil des Ganzen erleben wir uns als Handelnde, durch die eine Kraft hindurch wirkt. Wir erleben unser Handeln nicht mehr als Pflicht, sondern können es mit Freude tun und bestehen nicht mehr auf unsere Erfolge. Jeder Moment ist eine Chance, etwas zu tun und die Grundlage der Handlungen ist Liebe. Jede Handlung ist eine Antwort auf die Situation und frei von Erwartungen.
Mit svādhyāya erlangen wir Erkenntnisse über unsere Fähigkeiten, Talente, über unsere wirklichen Sehnsüchte, unsere Schwächen, Emotionen, Vorstellungen, Vorurteile, Reiz-Reaktionsmuster, unsere Identifikationen mit Überzeugungen, Beruf, Erfolg, Status und Prestige, kurz: alles, was uns rastlos sein läßt und den inneren Frieden verhindert. Dann können wir davon immer mehr frei statt von ihnen getrieben zu werden- ohne aktives Zutun, nur wahrnehmen, zuhören, hinsehen. Wir können aufhören wie eine stoische Dampflok durchs Leben zu walzen, Schleife um Schleife zu drehen und in dieselben Tretminen zu treten, kraftkostende Murmeltier-Situationen und Konflikte zu wiederholen, ohne jedes Bewusstsein dafür, warum. Zum Leid unserer selbst und anderer.
Das Studium von spirituellen Texten und Vorträgen oder das Tönen von Mantren verhindert, dass wir um uns kreisen. Wir öffnen den Geist für andere Themen als die, die uns im Alltag beschäftigen. Wir bekommen neue Einsichten, die es uns dann wiederum in unserem Alltag leichter machen, mit unseren Themen umzugehen. Es geht über den reinen Wissenserwerb hinaus. Es kommt vielmehr darauf an, was bringt es mir, hilft es mir, über mich selbst zu lernen und innerlich immer freier zu werden?
Die Reize und unsere Sinne ziehen immer wieder ihre Aufmerksamkeit auf sich. Die regelmäßige Auseinandersetzung mit den Texten befreit uns immer wieder von dem Zwang oder Druck, die von ihnen ausgehen. Die Texte können zu unserem Anker werden oder zu unserem Hafen, in den unser Geist immer wieder zurückkehren, sich erholen, auftanken und neu orientieren kann. Sie können das Herz reinigen und unserem Geist Orientierung geben, wenn er sie verloren hat.
Auch wenn die Wahrheit „ein pfadloses Land“ ist, wie Krishnamurti sagt und damit meint, dass jede/jeder einen eigenen Weg zu dieser Wahrheit oder Einheitserfahrung finden muss, so können die Erfahrungen von weisen Menschen und Mystikern, die auf ihrem Weg auf Schwierigkeiten gestoßen sind und sie überwunden haben, uns Hinweise für unseren Weg geben, egal ob sie schon verstorben sind oder noch leben. Wir können uns von ihnen inspirieren lassen und uns mit ihnen verbunden fühlen.
Svādhyāya hilft uns auch zu überprüfen, ob wir noch auf dem richtigen Weg sind, ob wir wieder in alte Muster zurückgefallen sind und wo wir gerade in unserer Entwicklung stehen.
Haben wir eine einzige Einsicht erlangt, die hilft, einen schmerzhaften Kreislauf zu durchbrechen, dann sind wir uns selbst ein Stück nähergekommen. Schale um Schale fällt, der innere Wesenskern kommt zum Vorschein, wortloses Verstehen wird klarer und greifbarer. Mit svādhyāya können wir unserer wahrhaftigen Lebensfreude begegnen, die aus der Einheit und der Liebe entsteht.