Shraddha- die starke Kraft des inneren Vertrauens

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Im Yogasutra 1.20 wird Vertrauen- in Sanskrit:shraddha* – als eine von drei wichtigen Eigenschaften für den Yogaweg genannt.

Es gibt einige Punkte auf dem Yogaweg, wo die Fähigkeit des Vertrauens besonders wichtig ist. Am Beginn des Weges ist viel Vertrauen notwendig, weil die Details und selbst das Ziel nicht konkret erkennbar sind. Auch ist vieles neu und ungewohnt, fremd, vielleicht sogar das Gegenteil des Gewohnten. Der Lehrer/die Lehrerin ist neu, die Gruppe, Abläufe, die Stille, die Beobachtung des Atems, die Selbstwahrnehmung, manche Übungen. Die theoretischen Inhalte, z.B. eines leidfreien, unsterblichen, allwissenden Selbst sind zunächst mehr oder weniger fremd. Und auch das Ziel, samadhi, ist eher ein gedankliches Konstrukt, eine Idee.

Ein anderer Zeitpunkt, an dem Vertrauen besonders wichtig ist, ist die „Plateau-phase“. In dieser Phase läßt die anfängliche Neugier etwas nach, es geht nicht mehr in dem Tempo voran, es wird mühsam, regelmäßig zu üben und dann scheint es keinen Fortschritt zu geben. Die Praxis und die Entwicklung stagnieren. Es kommen Zweifel auf, ob Yoga wirklich das passende Mittel der Wahl ist oder zu einem passt- oder man selbst zu Yoga passt. Die anfängliche Sicherheit, das richtige zu tun, bröckelt. In dieser Phase braucht es Vertrauen. Das Vertrauen des Anfangs wird in dieser Phase überprüft. Ist das Vertrauen fest, trägt es uns über die Phase hinweg.

Was ist ein „festes Vertrauen“? Shraddha bedeutet laut wikipedia übersetzt: „Herz“ und „stellen, setzen“. Es ist also kein leichtsinniges, oberflächliches, nicht ganz ernstgemeintes Vertrauen „ich weiß nicht oder es wird schon gut“, das bei kleinen Irritationen, Kritik oder Zweifeln verloren geht. Widerstände und Unsicherheiten können diesem Vertrauen nichts anhaben. Manchmal wird es auch mit „feste Überzeugung“ übersetzt. Dies darf dann aber nicht auf die Gedanken allein bezogen werden. Es gehört auch das Gefühl dazu. Es ist vielmehr ein Vertrauen und ein fester Glaube, aus dem Herzen kommend, dass der Yogaweg der richtige ist, auch wenn nicht alle Bestandteile, Faktoren und Ergebnisse bekannt sind. Denn es liegt in der Natur des Vertrauens, nicht alles im Voraus zu kennen. Wenn das Wissen da ist, braucht man kein Vertrauen (mehr). Dann ist es klar. Im Zustand dieses Wissens, samadhi, braucht es kein shraddha mehr.

Woher kommt dieses Vertrauen? Dieses Vertrauen erleben wir über unsere Gedanken und Gefühle. Wie wir wissen, sind beide nicht beständig. Sie können folglich nicht die eigentliche Quelle sein für etwas Beständiges wie shraddha. Die Quelle dieses, man könnte sagen: Ur-Vertrauens, kommt aus unserem inneren Wesen, das im Zustand von samadhi ist. Es ist wie ein Lockruf nach Hause.

Shraddha ist nicht nur in Bezug auf den Yogaweg entscheidend. Letztendlich kommt es auch im Alltag darauf an, ob wir aus diesem Vertrauen denken und handeln oder ob das Vertrauen keinen festen Boden hat. Lassen wir uns leicht von inneren Zweifeln und äußerer Kritik von unserem Ziel abbringen oder bleiben wir uns treu? Wenn berechtigte Zweifel und konstruktive Kritik gegeben sind, ist es auch shraddha, diese zu berücksichtigen und dann mit einer „Kurskorrektur“ weiter zu gehen. Und sich treu bleiben bedeutet nicht, stur auf etwas zu bestehen, womöglich noch wider besseren Wissens. Es gilt also zu erforschen, ob unser Ego oder unser Selbst die Quelle ist.

*die Schreibweise entspricht nicht der offiziellen Schreibweise, die Sonderzeichen beinhaltet.