Die Hindernisse YS 1.30: 5.Alasya- die Faulheit

(Am Ende des Textes gibt es eine Audiodatei mit den Sanskritbegriffen)

Das fünfte Hindernis ist ālasya, das mit Faulheit übersetzt wird. Faulheit wird in unserer Kultur als negative Eigenschaft betrachtet. „Faulpelz“ ist ein Schimpfwort. Das ist ein Nichtsnutz, der auf Kosten anderer lebt. Faulheit gilt sogar als eine der Sieben Todsünden. Das ist unser kollektives Erbe und prägt uns seit vielen Generationen. Allenfalls die Reichen und Schönen dürfen den Müßiggang pflegen- so jedenfalls das Klischee.

Wenn wir die Evolution betrachten, so waren wir vor langer Zeit Sammler. Die Zeit, in der wir motiviert waren, etwas zu tun war, wenn wir Hunger hatten. Die übrige Zeit konnten wir untätig – faul- sein. Dank unserer Fähigkeiten haben wir uns weiterentwickelt und leben nun in einer Welt, die uns so viele Dinge bietet. Allerdings müssen die meisten von uns dafür viel Zeit mit Arbeit verbringen. Dazu kommt die Zeit, die wir dann damit verbringen, uns um diese Dinge zu kümmern. Dafür haben wir immer weniger Zeit, uns mit unserem Geist zu beschäftigen und zu hinterfragen, ob wir so leben wollen. Wir können es uns nicht (mehr) leisten „faul“ zu sein: „Ohne Fleiß kein Preis.“ Selbst sich auszuruhen oder zu meditieren geschieht nicht um seiner selbst willen sondern aus Gründen der Leistungsoptimierung, wie z.B. der „Powernap“ es schon sagt. Ist ālasya unter dem Aspekt überhaupt noch ein Thema für uns?


Ālasya in der Sāmkhya-Philosophie

Im Yoga geht es weder um Bewertung noch um Leistung. Ālasya hat hier eine völlig andere Bedeutung. Es ist ein Hindernis und dieses Hindernis auf dem Weg zur Erkenntnis, zu samādhi, gilt es aufzulösen. Es geht nicht um Kampf, denn es wäre ja ein Kampf gegen und in sich selbst und nicht um Vermeidung, sondern um das Anerkennen und Bewusstmachen.

Die Sāmkhya-Philosophie (ca. 400 v.Chr.) ist eine Grundlage für das Verständnis des Yogasutra. Die Welt wird verstanden als das Zusammenspiel dreier Kräfte, der guna. Alles entsteht und besteht aus den drei Energien rajas, tamas und sattva. Rajas ist die aktive, kreative Energie, die alles erschafft, verändert und wandelt. Tamas ist die Trägheit, das Unbewegliche aber auch das Stabile, Erhaltende. Sattva ist die Energie des Gleichgewichts, des Lichts, der Klarheit. Diese drei Energien sind fließend. Alle drei sind wichtig und haben eine Funktion.

Da alles von diesen drei Energien durchdrungen ist, gelten sie auch für uns Menschen, für unseren Körper und unseren Geist. Ālasya ist ein Ausdruck von tamas. Wenn tamas überwiegt, sind wir träge. Es handelt sich nach diesem Konzept also nicht um eine erworbene oder ererbte negative Charaktereigenschaft, die ausgemerzt gehört, sondern um einen naturgegebenen Zustand. Yoga lässt es aber nicht so stehen oder als Begründung bzw. als Entschuldigung gelten. Vielmehr gilt es, dieses als ein Hindernis auf dem Yogaweg ernstzunehmen und sich davon nicht aufhalten zu lassen.


Formen von ālasya

  • Der Körper

Wenn wir es genau betrachten, ist faul keine Beschreibung, sondern eine Bewertung. Die Frage ist, ob es überhaupt eine körperliche Faulheit geben kann. Alle körperlichen Funktionen sind biochemische Prozesse und der Zustand des Körpers das Produkt dieser Prozesse. Den Ausdruck „faul“ können wir für die körperliche Ebene nicht verwenden. Was wir kennen, ist ein träger, schwerfälliger Zustand, Müdigkeit und Erschöpfung. Der Körper braucht dann eine Ruhepause um sich zu regenerieren.

Wenn wir uns also zu erschöpft oder zu müde für die Praxis fühlen, haben wir unsere Energie anderweitig erschöpft. Dann braucht der Körper keine Bewegung, sondern Erholung, vielleicht eine Atemübung oder Meditation. Wenn dies permanent der Fall ist, ist dies ein Hinweis, dass wir nicht sinnvoll mit unserer Energie umgehen. Es ist nicht hilfreich, sich dafür abzuwerten, zu beschuldigen oder zu schämen oder gar zu zwingen und damit zu überfordern. Vielmehr sollten wir nach Möglichkeiten Ausschau halten, wie wir unseren Alltag in kleinen, angemessenen Schritten so ändern können, dass wir nicht so oft an unserer Grenze sind. Die Praxis weist uns darauf hin, dass wir gesundheitlich nicht auf dem richtigen Weg sind. Wenn wir körperlich erschöpft sind wirkt es sich auch auf den Geist aus. Wir sind auch nicht zu geistigen Anstrengungen in der Lage.

  • Der Geist

Tamas gilt auch für unseren Geist. Mentale oder psychische Trägheit zeigt sich als Widerstand gegen etwas- Entscheidungen, Aufgaben, Vorhaben, selbst wenn wir die Notwendigkeit oder den Sinn erkennen. Es ist eine mangelnde Bereitschaft zur Anstrengung, Mühe oder Geistesübung. Wenn der Geist träge ist fühlen wir uns auch körperlich nicht wohl und aktiv.


Ālasya und styānaWas ist der Unterschied?

Beide Hindernisse sind sich sehr ähnlich. Aber offensichtlich war es wichtig, beide im Yogasutra zu erwähnen.

Mit styāna, dem an zweiter Stelle genannten Hindernis, hat ālasya die Trägheit gemeinsam. Beide sind Ausdruck von tamas, dem guna. Styāna bedeutet darüber hinaus auch Lethargie, Mangel an Interesse, Gleichgültigkeit bis hin zur Apathie. Das muss bei ālasya nicht so sein. Styāna ist vorwiegend ein mentaler Zustand während sich ālasya mehr auf die körperliche Ebene bezieht. Es besteht durchaus Interesse und auch Motivation. Es gibt jedoch immer ein „aber….“

Wie kann man nun dieses „Aber“ überwinden?


Ālasya und der achtgliedrige Weg

Ālasya entsteht wie alle Hindernisse aus einem zerstreuten Geist (citta viksepa). Es fehlt die Fähigkeit zur Konzentration auf ein Thema. Er will immer beschäftigt sein. Wenn ihm eine Richtung fehlt, beschäftigt er sich unkontrolliert. Dieser Zustand und die Hindernisse können sich in dem Gefühl von Leid, innerem Druck, Pessimismus, Depression, innerer Unruhe, Unbeherrschtheit und Zerstreutheit bemerkbar machen (YS 1.31). Das Yogasutra bietet einen Weg, um mit den Hindernissen so umgehen zu können, dass sie kein Hindernis mehr sind oder sich auflösen. Es handelt sich dabei ausschließlich um die inneren Hindernisse, d.h. in Körper und Geist / Psyche. Gleichzeitig hilft uns dieser Weg auch im Umgang mit äußeren Hindernissen in unserem Leben.

  • Abhyāsa YS 1.12 / 1.32

In YS 1.32 wird als erstes Mittel zur Beseitigung der Hindernisse abhyāsa genannt. Abhyāsa bedeutet dranbleiben, Disziplin, Beharrlichkeit, nicht aufgeben. Es ist auf dem Yogaweg erforderlich und besonders wichtig bei dem Hindernis ālasya. Disziplin als Einstellung kann die Trägheit überwinden, wenn diese nicht zu stark ist oder nur gelegentlich auftaucht. Wichtig ist hier die Unterscheidungsfähigkeit-viveka- zwischen einer angemessenen Disziplin und einem sturen, sinnlosen Festhalten und womöglich einem schädigenden Verhalten, weil die Grenzen mißachtet werden. Dann entwickelt sich abhyāsa möglicherweise zu einem Hindernis.

Manchmal ist es auch im Alltag erforderlich, Dinge auch gegen den inneren Widerstand zu tun. Manchmal ist der äußere Druck (Termin, Frist) größer als der innere Widerstand. Dauerhaft funktioniert es jedoch nicht und dann kreieren wir neue Hindernisse. Für die Yogapraxis fehlt es an äußerem Druck. Wenn der Wille oder der innere Antreiber, die innere Antreiberin sehr stark ist und vielleicht sogar Schuldgefühle erzeugt, klappt es mit der Praxis auf der Matte gegen den inneren Widerstand. Welchen Wert eine solche Praxis auf Dauer hat bleibt dahingestellt. Wenn es gut läuft entsteht im Laufe der Zeit Freude an der Praxis und mit dieser Freude verliert ālasya Kraft und Einfluss. Wenn die Trägheit dauerhaft und länger ein Problem ist, bedarf es weiterer Mittel:

Wenn ālasya (der Begriff ist neutraler als Faulheit und wird deshalb hier verwendet) regelmäßig oder kontinuierlich ein Hindernis ist, liegen die Gründe tiefer und im Unbewussten, den samskāra. Damit sind unsere unbewussten Neigungen gemeint. Sich selbst oder eine andere Person als faul zu bezeichnen ist keine Lösung und blockiert vielleicht sogar den Zugang zum Unbewussten. Die Beschäftigung mit den Ursachen, svādhyāya, das Selbststudium hingegen ermöglicht Lösungen.  Was ist es, dass einen so großen unüberwindbaren Widerstand erzeugt? Nur braucht man auch dafür ein Minimum an Energie.

Ālasya zeichnet sich durch mangelnde Energie aus, die innere Flamme ist schwach. Tapas heißt Feuer, Begeisterung, Leidenschaft. Was sind die Ursachen? Fehlt es an Überzeugung, dass das Ziel das richtige ist? Ist es das eigene oder ein übernommenes? Ist es authentisch? Ist es uns wirklich wichtig? Ist auch unser Zugang und der Weg der Richtige? Nur wenn wir diese Fragen ehrlich mit einem Ja beantworten können, werden wir unsere Trägheit überwinden. Andernfalls bewahrt sie uns vor einem falschen Tun und damit vor Leid, vor dem Ausbrennen. Wenn wir diese Fragen klar und ohne Zweifel, ohne ein „Aber“ beantworten können, kann das innere Feuer und die Begeisterung die Faulheit überwinden.

Neben den guna rajas, tamas und sattva kennt das Yogasutra die fünf klesa. Diese sind fünf psycho-mentale Zustände, die in jedem Menschen vorhanden sind. Sie sind nicht immer und nicht alle oder gleichzeitig aktiv. Dann gelten sie als „schlafend“. Sie können in bestimmten Situationen angesprochen und aktiv werden. Wann das passiert, unterliegt nicht unserer Kontrolle. Wenn man sich gut mit den eigenen klesa auskennt, kann man mit ihnen umgehen und muss sich nicht von ihnen beherrschen lassen.

Die klesa ruhen wie Samen in unserem Geist- so das Bild- und werden in bestimmten Situationen aktiv. Je öfter sich solche Situationen in unserem Leben wiederholen, desto stärker werden die klesa. So entstehen Gedankenmuster und Überzeugungen – samskāra. Ein Ziel des Yogaweges ist deshalb, bewusst zu handeln, um die klesa nicht zu stärken, sondern immer mehr zu schwächen, bis sie nicht mehr stören.

Bis wir so bewusst sind, haben sich bereits viele samskāra gebildet. Um sie nach und nach zu erkennen, brauchen wir das Selbststudium und dafür wiederum einen ruhigen Geist. Deshalb spielt die Entspannung eine wichtige Rolle im Yoga.

Bezogen auf ālasya wäre eine mögliche Ursache, dass wir erlebt haben, dass unser Engagement oder unsere Anstrengung nicht gewürdigt wurde. Das verletzt unseren Selbstwert (asmitā YS 2.6). Das gilt umso mehr, wenn wir sogar ausgelacht oder beschämt wurden. Die Folge ist, dass dieses samskāra uns davon abhält, uns anzustrengen. Wir wollen nie wieder eine solche Situation erleben (dvesa YS 2.8). Oder wir haben daraus den Schluss gezogen, dass es sich nicht lohnt, sich anzustrengen. Wenn wir wiederholt solche Situationen erlebt haben, haben wir irgendwann die Überzeugung gewonnen, dass wir nicht gut genug, klug, geschickt…. sind. Warum also anstrengen? Vielleicht fehlt es an Vertrauen (shraddhā) in die eigene Fähigkeit, oder das Ziel zu erreichen oder an das Ziel überhaupt. Es geht dann zunächst darum, die Selbstwirksamkeit zu stärken. Jede Yogapraxis kann eine solche heilsame Erfahrung sein.

Auch die entgegengesetzte Überzeugung kann der Grund für ālasya sein: Die Erwartung, dass alles leicht sein muss. Ich möchte es tun …. aber es ist schwierig oder schwer. Es ist eine einseitige Haltung des Nehmens ohne sich zu engagieren. Da unser ganzes Leben und unsere Gesellschaft auf einem Austausch beruht, funktioniert diese Haltung nicht wirklich gut. Und auch unser Körper lebt buchstäblich vom Geben und Nehmen. Der Atem- unsere wichtigste Lebensfunktion- ist ein Nehmen von Sauerstoff produziert von den Pflanzen und ein Geben von Kohlendioxid an die Pflanzen.

Und/oder die Schwierigkeit(en) sind dann eine Ausrede, garnicht erst zu beginnen. Wenn etwas schwierig ist, bedeutet es nicht, dass es unmöglich ist. Das ist ein großer Unterschied. Etwas, das unmöglich ist oder zu sein scheint, nicht zu beginnen ist etwas anderes.

Dvesa kann auch bedeuten, dass wir nicht bei uns selbst nach Gründen für unsere „Faulheit“ suchen, sondern in den Umständen z.B. Arbeit, familiäre Verpflichtungen, Ehrenamt oder anderes. Es gibt hunderte von Gründen. Der Geist ist sehr kreativ. Wenn wir uns selbst studieren oder reflektieren übernehmen wir die Verantwortung für unsere Schwierigkeit, regelmäßig zu praktizieren und den Mangel an Disziplin statt Umstände oder andere Menschen dafür zu beschuldigen. Gleichzeitig können wir erkennen, ob dies auch im Alltag eine Tendenz in uns ist und auch dort aufmerksam werden.

Vielleicht mangelt es auch an Weitsicht. Die Anstrengung ist jetzt, aber die „Belohnung“, das Ergebnis liegt in der Zukunft. Und die Zukunft ist ungewiss. Unser Geist ist auf den kurzfristigen Gewinn ausgerichtet. Dass wir für die Zukunft vorsorgen ist in der Evolutuion noch nicht solange bekannt. Wir wollen ein schnelles Ergebnis, eine schnelle Belohnung. Die Fähigkeit ein Ergebnis und für unser System bedeutet das Belohnung, in die Zukunft zu verschieben ist eine kognitive Kompetenz. Wir brauchen dafür einen Moment des Innehaltens und des Reflektierens.

Das klesa abhinivesa (YS 2.9) die Angst kann uns auch in der Komfortzone festhalten. Dort ist es – so scheint es jedenfalls- sicher. Selbst wenn diese Komfortzone keine sehr angenehme ist (Arbeit, Familie, Ort) wird sie als sicher erlebt. Wir halten daran fest (rāga) und halten uns von allem fern, was in uns den Wunsch nach Veränderung erzeugen könnte. Wenn wir merken, dass die Yogapraxis das eine oder andere samskāra ans Licht bringt und zu einer als (unbewusst) bedrohlich empfundenen Veränderung führen könnte, vermeiden wir die Praxis. Hinter der vermeintlichen Faulheit steckt eine Vermeidungsstrategie. Es ist als Inertia-Effekt bekannt. Wenn wir sie erkennen und reflektieren, können wir das Hindernis überwinden.

  • Avidyā YS 2.3 ff.

Die Täuschung über uns selbst, unser Ego und unser Selbst ist das erste klesa. Wir sind ja nicht nur träge. Wir erleben uns ja auch als aktiv und engagiert im Alltag und auf der Yogamatte. Der Alltag bietet uns oft auch keine Gelegenheit zum Faulsein. Vielleicht ist diese Trägheit auch ein berechtigtes Interesse des Nichtstuns und Erholens. Sieht unser Selbstbild so aus, dass wir alles schaffen müssen, unsere Grenzen nicht achten (dürfen), zu viel von uns verlangen und zur Überforderung neigen? Welche samskāra gibt es hier?

Avidyā bedeutet auch, uns mit dem Hindernis zu identifizieren. Es ist nicht eine zeitweilige innere Einstellung, also etwas, was wir verändern können, sondern wir sind dieser Zustand. Das macht es schwer, es loszulassen.

Humor kann uns eine Distanz zu dem Thema ermöglichen. Distanz, also sich nicht mit ālasya zu identifizieren, erleichtert den Umgang mit diesem Hindernis. : Eine humoristische Betrachtung.

Die antarāya beginnen mit vyādi. Dieses Hindernis ist Unwohlsein, ein Unfall oder eine Erkrankung. Deshalb kann man bei ständiger körperlicher Trägheit nach einer körperlichen Ursache zu suchen. Nachdem es vor Jahrzehnten üblich war, einseitig nach körperlichen Ursachen zu suchen, wird mittlerweile häufig eine psychische Ursache angenommen, wenn keine andere Ursache festgestellt werden kann. Vielleicht steckt hinter einer länger andauernden körperlichen Trägheit auch eine Erkrankung, z.B. der Schilddrüse oder ein Mangel an Mineralien, z.B. Eisen oder Vitaminen, z.B. Vitamin D. Diese Aspekte lohnt sich es sich, ebenfalls zu überprüfen.

Um unseren Körper und unseren Geist möglichst gesund und funktionsfähig zu halten, ist sauca, die Reinheit wichtig. Dies betrifft unseren ganzen Lebensrhythmus der Ernährung, des Schlafes, der Bewegung. Wenn es dort ein Ungleichgewicht gibt, führt dies schon zu Störungen und ālasya. Wenn der Körper diese Disbalance nicht mehr kompensieren kann, wird sie zum Hindernis. Wenn wir dies vernachlässigen und über Grenzen gehen, werden wir uns schädigen. Sowohl im Alltag als auch für das Erreichen des Yogazieles ist dies kontraproduktiv. Wir können bei ālasya unseren bisherigen Lebensstil auf den Prüfstand stellen und durch eine Veränderung das Hindernis verändern oder auflösen.

Wie schon erwähnt, ist die Unterscheidungsfähigkeit auch bei diesem Hindernis wichtig. Einerseits ist viveka Voraussetzung auf dem Yogaweg, andererseits wird die Unterscheidungsfähigkeit durch die Kenntnis der klesa und antarāya verstärkt. Wir können erkennen, wann und wieviel abhyāsa, Disziplin und Durchhalten gebraucht wird, wann es Faulheit oder etwas anderes ist. Und mit dieser Unterscheidungsfähigkeit erkennen wir, dass wir nicht dieses Hindernis sind (s.avidyā) und können es besser loslassen.

Die bhāvāna sind die Herzensqualitäten. Diese Haltung uns selbst gegenüber ist wichtig für das angemessene Maß an Aktivität und dem Zugang zu ālasya. Wenn wir uns mit den Hindernissen beschäftigen, beschäftigen wir uns mit unseren „Schatten“. Da wir unsere Schatten nicht neutral als Teil des Menschseins betrachten, sondern wir so geprägt sind, dass sie etwas Schlechtes sind oder sogar eine Todsünde, ist es wichtig, uns ihnen mit Liebe (maitrī), Mitgefühl (karunā) und Verständnis (upeksa) zu nähern.


Strategien bei Hindernissen im Yogasutra / ālasya

  • Das Selbststudium bietet verschiedene Ansatzpunkte für die Ursachen und den sich daraus ergebenen Handlungsmöglichkeiten.
  • Abhyāsa und die bhāvāna sind die inneren Haltungen für einen angemessenen Umgang mit ālasya
  • In YS 1.34 wird die Praxis eines langen Ausatems mit Atempause als Mittel genannt. Diese als prānāyāma bekannte Praxis beruhigt den unruhigen Geist. Die Energie wird gesammelt und in die Praxis umgesetzt.
  • In YS 1.35 wird die Kontemplation auf die Sinne „empfohlen“. „Beginnt man zu verstehen, wie die persönliche Sichtweise die Wahrnehmung beeinflusst“, wird der Geist ruhig (Patanjali Das Yogasutra, R. Sriram S.65). Wird der Geist ruhig, steht die Energie für die Praxis zur Verfügung.
  • YS 1.36 bringt den Fokus auf das innere Licht und das Hindernis kann sich auflösen.
  • Das innere Licht kann uns auch zu unserem Selbst führen. In diesem Bewusstseinszustand lösen sich alle Hindernisse auf. (YS 1.29)
  • Man kann sich Vorbilder suchen, die ālasya überwunden haben und sich von ihnen inspirieren lassen und von ihnen lernen („Best practice“) YS 1.37
  • Und manche Lösung findet sich in unseren Träumen (YS 1.38) und wenn wir wach werden, kennen wir plötzlich die Lösung.
  • Wir können auch auf etwas Positives reflektieren, dass uns hilft, ālasya zu überwinden, vielleicht eine positive Erinnerung an eine Praxis oder ein Erlebnis im Alltag. (YS 1.39)

Ālasya oder Faulheit wurde schon zu Zeiten des Yogasutra (ca. 200 v.Chr.) als Hindernis erkannt. Es hält uns von der Praxis ab und verhindert so jede Entwicklung in Richtung samādhi, dem Zustand des Glücks und der Freiheit von Leid durch Erkenntnis. Da wir im Alltag dieselben Menschen wie auf der Matte sind, gilt dies auch für unsere Persönlichkeitsentwicklung und somit für unser Verhalten, unser Handeln und Sprechen, unser Erleben von Glück. Es lohnt sich daher, sich mit dem Hindernis zu beschäftigen, wenn wir uns der Trägheit und Faulheit bewusst werden. Das Auflösen eines Hindernisses und einer Blockade bringt uns unserer Freiheit und unserem Glück auf und außerhalb der Yogamatte ein großes Stück näher.

Und hier noch weitere Inspirationen: Todsünde oder Tugend?

Die Datei mit den Sanskritbegriffen