Der achtgliedrige Weg: 7.Dhyana YS 3.2

Pixabay _SuzyT
Pixabay _SuzyT

(Am Ende des Textes gibt es eine Audiodatei mit den Sanskritbegriffen)

Die ersten fünf Glieder (anga) des achtgliedrigen (as= acht) Weges sind Gegenstand des zweiten Kapitels, des Übungsweges (sādhana=Übung/Praxis). Wie dhāranā, das sechste anga, ist auch dhyāna hingegen im dritten Kapitel, dem vibhūti (besonders, hier: besondere Fähigkeiten) pāda, aufgeführt.

In diesem dritten Kapitel kommt der Text zum Kern des Yogaweges: 1.Der Weg der Meditation, 2.der Bewusstseinszustand, der daraus folgt und 3. die neuen (vibhūti) Einsichten und Fähigkeiten die er mit sich bringt. Das dritte Kapitel basiert auf dem ersten Kapitel und erklärt weitergehend die Aussagen des ersten Kapitels. Es beginnt mit dhāranā, dem fokussierten Zustand des Geistes. Wenn dieses Fokussieren lange anhält, wird es dhyāna genannt. Es sind nicht zwei unterschiedliche Themen sondern unterschiedlich intensive Phasen die ineinander übergehen. In manchen alten indischen Texten wird dhyāna an sich mit Meditation gleichgesetzt. Diesen beiden folgt die dritte Phase: samādhi. Damit endet der Übungsweg des astanga yoga.

Insgesamt gibt es im Yogasutra vier sutren, die sich explizit mit dhyāna befassen. Dhyāna kommt in allen Kapiteln vor. Die Fähigkeit, den Geist länger fokussiert halten zu können, ist von großer Bedeutung.

  • Dhyāna YS 1.39 im Kontext des ersten Kapitels
  • Astanga – der Weg zu dhyāna YS 2.11 und 2.29
  • Dhyāna YS 3.2
  • Was bedeutet dhyāna in der Yogapraxis?
  • Was bedeutet dhyāna im Alltag?

Dhyāna YS 1.39 im Kontext des ersten Kapitels

Das erste Kapitel beinhaltet alle Themen und Stichworte darüber, was Yoga ist, welche Erkenntnisse möglich sind und auch den Weg dorthin. Wer Sanskrit versteht oder die Schrift devanagari lesen kann, kann die Worte sogar im Original aufnehmen, aber selbst das reicht nicht aus. Alle anderen müssen zudem noch mit den Unschärfen leben, die jede Übersetzung mit sich bringt. Unabhängig davon war und ist es für die meisten Menschen schwer den Sinn der Worte dieses ersten Kapitels wirklich zu verstehen, zu durchdringen und er-fassen oder be-greifen. Deshalb heißt es in Kommentaren, dieses erste Kapitel sei an Menschen gerichtet, die durch Geburt oder Ereignisse in ihrem Leben bereits Vorkenntnisse haben.

Für alle anderen Menschen, die genauere Erklärungen und Anleitungen benötigen folgt dem ein ganzes Kapitel über einen Übungsweg (sādhana pāda). Erst im dritten Kapitel kommt der Text dann zum Wesentlichen, zum Kern von Yoga. In manchen Kommentaren heißt es, dass erst dort Yoga beginnt und alles andere vorher der Vorbereitung von Yoga dient, aber kein Yoga ist. Das würde bedeuten, dass auch yama, niyama, āsana, prānāyāma und pratyāhāra noch kein Yoga ist. Unsere Yogakurse und -seminare dürfen eigentlich nicht so heißen. Sie sind die Vorbereitung für den Zustand von Yoga. Yoga ist Meditation, Meditation ist Yoga.

  • cittavritti nirodha

Das erste Kapitel beginnt mit einer Definition des Zustandes von Yoga. Yoga ist der Zustand des Geistes, in dem er still geworden ist: „cittavritti nirodha“ YS 1.2. Die erste Frage ist, was ist mit „still“ gemeint? Die nächsten beiden sutren sind auf den ersten Blick auch nicht hilfreich: Wenn der Geist still ist, dann (tadā) nimmt das Selbst (drastuh) nicht mehr die Formen der Gedanken an, sondern ist in seiner wirklichen Form (svarūpe YS 1.3). Freier übersetzt bedeutet es, dass ein stiller Geist sich nicht mehr mit den Wahrnehmungen identifiziert, sondern bei sich selbst bleibt. Auch das ist nicht selbsterklärend für uns. Andernfalls, wenn der Geist nicht still ist, identifiziert er sich mit den Gedanken und Gefühlen (vritti sarūpyam itaratra YS 1.4). Menschen, die den Zustand erfahren haben, wissen, was damit gemeint ist, die anderen nicht wirklich.

Und so wird zunächst anhand von fünf Kategorien beschrieben, wie der Geist funktioniert und wie es geschieht, dass er sich identifiziert. Es gibt Aktivitäten, von denen einige zu immer neuer Identifikation führen (klista), aber es gibt auch andere (aklista), die den Geist frei davon werden lassen (YS 1.5). Stille im Geist hat also etwas damit zu tun, dass der Geist frei von diesen mentalen Aktivitäten wird, zuerst von denen, die ihn immer wieder fesseln und letztlich auch von den befreienden Gedanken. Welche Kategorien dies sind, in denen sich unser Geist bewegt, wird im sutra 1.6 aufgelistet: Das richtige und falsche Wahrnehmen, Vorstellung/Imagination (oft bezogen auf die Zukunft), Tiefschlaf und Erinnerung (Beschäftigung mit der Vergangenheit). Das ist uns vertraut. Wir kennen es, dass diese vritti immer wieder in der Meditation oder auch im Alltag auftauchen und die Konzentration stören. Es mangelt an der Fähigkeit zu dhāranā, den Geist bei einem Thema zu halten und zu dhyāna, dort länger zu bleiben. Solange der Geist dazu nicht fähig ist, ist der Zustand von nirodha nicht erreichbar. Wir wissen damit aber noch nicht, was nirodha ist, nur was es nicht ist.

Das erste Kapitel gibt Hinweise wie wir in den Zustand gelangen können, die aber wieder für Menschen gedacht zu sein scheinen, die Erfahrungen mitbringen: Wir brauchen Vertrauen (sraddhā), eine Ahnung von samādhi (prajna) oder Erinnerungen (smrti YS 1.20), Hingabe an die höchste Kraft (isvara YS1.23), Rezitation (japa YS 1.28) des OM (pranava YS 1.27), der Zustand von Liebe (maitrī), Mitgefühl (karunā), Mitfreude (mudita) und Verständnis/Nachsicht/Vergeben (upkesa)-die bhāvana (YS 1.33) im Alltag, oder Meditation auf das „innere Licht“ (jyoti YS 1.36). Praktischer Natur ist dann die Empfehlung, vollständig auszuatmen mit einer Atempause zwischen dem Ein-und Ausatem (pranasya YS 1.34), die Gedanken zu reflektieren (visayavati YS 1.35) – oder über ein uns angenehmes Objekt zu meditieren, was dhyānam (YS 1.39) genannt wird. Hier begegnet uns dhyāna zum ersten Mal als Meditation auf ein Objekt. Dies ist nur den Menschen möglich, die bereits die Fähigkeit haben, ihre Aufmerksamkeit lange stabil auf einen Punkt, ein Thema, zu halten.

Erforderlich für diesen Weg ist abhyāsa, die Ausdauer und Geduld. Das führt zu vairāgya. Wörtlich bedeutet es frei sein von rāga. Rāga bedeutet Anhaften, nicht loslassen können. Was festgehalten wird, aber losgelassen werden sollte, damit der Geist ruhig wird sind die Identifikationen. Wie diese Fähigkeit erlangt werden kann, wenn sie noch nicht vorhanden ist, darum geht es im zweiten Kapitel.


  • Astanga – der Weg zu dhyāna YS 2.11 und 2.29

Menschen, die den Zustand von nirodha noch nicht erlebt haben erklärt der Text im zweiten Kapitel, was mit Identifikation gemeint ist: Es sind die klesa (YS 2.3). Wir HABEN nicht unsere Gedanken und Gefühle, sondern wir SIND unsere Gedanken und Gefühle. Es gibt keine Unterscheidung (viveka). Das ist Identifikation. Dieser Zustand wird als Ego (asmitā) bezeichnet. In diesem Zustand ist der Geist in der Täuschung der Identifikation (vritti sārūpyam itaratra YS 1.4). Das hat Konsequenzen für unsere Einstellung und unser Verhalten: Das Ego reagiert auf Situationen oder Vorstellungen/Phantasien mit Angst, Gier, Aggression, Täuschung, Abwehr. Das sind die klesa avidyā, asmitā, rāga, dvesa, abhinivesa. Solange unser Geist damit beschäftigt ist, ist er nicht nirodha, nicht still. Wir wissen damit zwar immer noch nicht, was still ist, aber wir wissen damit, was es nicht ist: Unser gewöhnlicher Zustand des Geistes. Unser Bewusstseinszustand ist ein Zustand der Verwechslung und Verwirrung, der Angst, des Anhaftens/Festhaltens, der Abwehr, also Kampf oder Flucht, weil wir uns mit aktuellen äußeren oder vergangenen Zuständen, die wir Konditionierungen und Prägungen (samskāra YS 1.18/1.50) nennen, identifizieren. Zum einen hält das Identifizieren selbst, zum anderen halten die darausfolgenden Handlungen unseren Geist davon ab, ruhig zu sein. Dhyānam YS 2.11, das stille Reflektieren, hilft diese triebhaften oder „blinden“ Kräfte zu überwinden. Wir können die Identifikationen durchschauen und durch Erkennen auflösen. Dann können wir frei davon werden-vairāgya, wie es im ersten Kapitel heißt. Mehr Informationen gibt es an dieser Stelle nicht. Offensichtlich ist es hier noch nicht nötig, weil noch nicht erfahrbar. Es ist noch zu weit weg. Erst wenn der Weg erklärt und  dhyāna vorbereitet wurde, ist der Übende so weit, dass er davon einen Nutzen hat. Und so wird dhyāna erst im dritten Kapitel erklärt.

Das zweite Kapitel beschäftigt sich also damit, welche konkreten Möglichkeiten wir haben, unseren Geist so zu verändern, dass dieses automatische Identifizieren immer weniger wird und der Geist immer ruhiger und stiller.

Dies ist der achtgliedrige (as=acht, anga=Glieder) Weg. Die genannten acht Elemente verändern die Funktionsweise unseres Geist zu nirodha. Sie werden zwar alle im sutra 2.29 aufgezählt, auch dhyāna, allerdings werden nicht alle in diesem Kapitel behandelt.

  • Der achtgliedrige Weg- astanga / bahiranga yoga

Dieser achtgliedrige (astanga) Weg wird in zwei Abschnitte unterteilt. Die ersten fünf Elemente sind die äußeren Glieder-bahiranga. Sie sind im zweiten Kapitel- sādhana pāda- dem Übungsweg beschrieben. Übung bedeutet Wiederholung, Bemühen, Tun. Sie werden deshalb in manchen Schriften noch nicht als yoga bezeichnet.

Diese äußeren Glieder schaffen einen Zustand des Geistes um dann den inneren Weg zu gehen. Welche sind das?

  1. Die yama YS 2.29ff: Sie sind wichtig, um unsere Beziehung zur Welt und den Phänomenen dort so zu gestalten, dass wir keine neuen Identifikationen (ich bin mein Beruf, mein Haus, meine Familie …) aufbauen, alte Identifikationen erkennen und auflösen und der Geist zur Ruhe kommen kann. Unsere Beziehung zur Welt in diese Richtung zu verändern ist die Grundlage des Weges und steht auf dem Weg an erster Position.
  2. Die niyama YS 2.40ff.: Sie sind wichtig, um eine Beziehung zu uns selbst und einen Umgang mit uns selbst zu haben, der neue Identifikationen (Körper, Selbstbild) verhindert und alte Identifikationen auflöst. Wir erleben weniger innere Konflikte, stellen keine unerfüllbaren Erwartungen an uns und erlauben dem Geist, ruhiger zu werden.
  3. Die āsana  YS 2.46/2.47 auf der Matte sind bekannt. Sie sollen den Körper und den Geist in die Mitte führen und den Geist ruhiger werden lassen.
  4. Der Atem-prānāyāma YS 2.49ff. wirkt unmittelbar auf das Herz-Kreislauf-System, auf das Nervensystem, auf die Gefühle und Gedanken. Ein langer Ausatem beruhigt insgesamt den inneren Zustand.
  5. Das Zurückziehen der Sinne pratyāhāra YS 2.54/2.55 ist das letzte Glied, das zu den äußeren Gliedern zählt. Durch die vorherigen ist der Geist jetzt in der Lage, den Fokus von außen nach innen zu lenken. Eine absolut notwendige Voraussetzung für nirodha. Wenn die Außenwelt keine Ablenkung, keine Störung der Aufmerksamkeit mehr darstellt, der Geist frei geworden ist von dem Drang, alles um sich herum wahrnehmen zu wollen, erst dann ist es möglich, dass der Geist auch innerlich still wird.

Alle diese Aspekte können wir beeinflussen durch ständige Wiederholung (abhyāsa YS 1.13) und Reflektion (svādhyāya YS 2.1). Selbst wenn wir diese äußeren Glieder meistern, ist es noch nicht yoga, noch nicht nirodha. Dafür braucht es die inneren Glieder- antaranga. 


Dhyāna YS 3.2 tatra pratyaya ekatānatā dhyānam

Das Yogasutra zeigt den ganzen (langen) Weg zu dem inneren Zustand von dhyāna. Es zeigt uns die Ausgangssituation unseres Geistes, beschreibt sehr ausführlich alle Aspekte, die es zu beachten gilt-Funktionsweise, Ursachen, Hindernisse, Handlungs-und Veränderungsmöglichkeiten. Wenn diese Aspekte bearbeitet werden kommt es zu einer Veränderung und Transformation unseres Geistes. Er erlangt die Fähigkeit, lange, ohne Ablenkung, ohne Unterbrechung, ohne Anstrengung, kontinuierlich stabil ausgerichtet zu bleiben. Deshalb ist dhyāna ein antaranga, ein inneres Glied, ein tiefer innerer Zustand im Unterschied zu den äußeren Gliedern. Der Zustand ist ähnlich wie dhāranā, jedoch bleibend und ohne Bemühen, denn es gibt kein Verlangen mehr, etwas anderes zu erleben, eine andere Erfahrung zu machen, als die, die gerade erfahren wird. Das ist vairāgya.

Im sutra 3.2 heißt es, wenn dort (tatra)-gemeint ist YS 3.1- in dhāranā- der Fokus (eka=eins, einpunktig, auf einen Punkt gerichtet) sich ausdehnt (tana) und so eine tiefe innere Erfahrung, ungefärbt (pratyaya) von den klesa, möglich ist, wird das dhyāna genannt. Dhyāna ist ein Zustand, der dadurch entsteht, dass der Geist immer länger in dhāranā bleiben kann. Die Fähigkeit zu fokussieren und fokussiert zu bleiben wird immer tiefer. Der Übergang von dhāranā zu dhyāna ist fließend.

Dhyāna wird in verschiedenen Texten mit Meditation gleich gesetzt. Der Geist ist sehr ruhig, aber es gibt noch vritti. Dhyāna ist noch nicht nirodha, jedoch eine wichtige Fähigkeit für nirodha. Die klesa sind bereits sehr reduziert und kommen eine zeitlang zur Ruhe, aber sie können immer noch wieder aktiv werden. Es ist immer noch viel Aufmerksamkeit erforderlich.


Was bedeutet dhyāna in der Yogapraxis?

Die Praxis auf der Yogamatte dient der Vorbereitung auf den Zustand von dhyāna. Denn die Praxis als drittes -äußeres – Glied im zweiten Kapitel soll die klesa reduzieren (YS 2.2 klesa tanū). So kann der Geist ruhiger werden. Die körperliche Aktivität löst körperliche Spannungen und ggf. Beschwerden, die ansonsten die Aufmerksamkeit des Geistes auf sich ziehen. Bewegung kann auch psychische Spannungen lösen, die im Körper gespeichert sind, weshalb es auch Körpertherapien gibt und ebenfalls den Geist beunruhigen.

Auch sollte der Geist während der Praxis nicht „umherwandern“, sondern auf den Körper fokussiert sein. Im Yogasutra 2.46 heißt es zu den āsana: Die Haltung soll stabil (sthira) und angenehm (sukham) sein. Die Stabilität fördert die Ruhe im Körper und im Geist. Eine angenehme Haltung unterstützt ebenfalls den ruhigen inneren Zustand und vermeidet spätere Unruhe durch neue Spannungen.

Das Yogasutra geht in 2.47 noch weiter auf den inneren Zustand ein: Die Haltung von Körper und im Geist soll locker/entspannt/gelöst (saithilya) sein, kein „Kampf“. Die stabile Form (sthira) ermöglicht diese Qualität im Körper und ein entspannter Geist ist frei von Ehrgeiz, Vergleich oder Bewertung. In dieser Haltung wird der Geist auf das „Unendliche“ (ananta), das Jenseits des Geistes ausgerichtet. Dieses Jenseitige ist das Ziel von Yoga und wird nicht beschrieben, weil es nicht beschrieben werden kann. Diese Kriterien soll die Praxis mehr und mehr erfüllen und nicht den Geist in Unruhe bringen. Damit stellt sich die Frage, ob eine Praxis wirklich sinnvoll ist, wenn unter bestimmten Umständen der Geist nicht wenigstens zu Beginn der Praxis fokussiert sein kann. Wenn der Geist ständig abschweift oder es einen inneren Widerstand, eine Unlust gibt, ist die Qualität in der Praxis nicht möglich. Wenn dies nicht nur gelegentlich der Fall ist, sondern länger, ist es sicher sinnvoller, sich zuerst um diese Ursache zu kümmern als im Kampf gegen sich selbst die Praxis durchzuführen. Der Geist kann nicht zur Ruhe kommen. Und bevor die Praxis diese Qualität nicht hat, wird es nicht möglich sein, dhyāna zu erreichen, denn ein unruhiger Geist ist in der Stille noch ablenkbarer.

Ein Yogalehrer, der ein Meister darin war, ist B.K.S. Iyengar (1918-2014). Es gibt von seinen Demonstrationen Videos auf youtube.

Die Atempraxis befähigt den Geist zu dhāranā (yogyatā manasah YS 2.53). Hier gibt es einen unmittelbaren Zusammenhang. Aus dhāranā kann sich dhyāna entwickeln. Auch hier ist es der bewusste und fokussierte Umgang mit dem Atem. Die Qualität soll dirgha und suksma (YS 2.50) sein. In der Hatha Yoga Pradipika (14.Jh. n.Chr.) wird gewarnt, dass „der richtige Atem jede Krankheit heilen und der falsche Atem jede Krankheit hervorrufen kann“. Eine vorsichtige und sanfte Atempraxis wie sie im Yogasutra angestrebt wird, hat seine Berechtigung. Der Atem ist mit dem Geist verbunden und wenn der Atem still wird, wird auch der Geist still, heißt es in der Hatha Yoga Pradipika. Die enge Verbindung von Atem und Psyche oder vegetativem Nervensystem kennen wir aus den Alltag. Wenn wir aufgeregt oder angstvoll sind, atmen wir kurz und schnell, je entspannter wir sind, desto langsamer atmen wir. Wir kennen auch das holotrope Atmen oder die Atemtherapie. Auch im Yoga sollten wir, um den Geist nicht zu verwirren, sondern zu beruhigen wissen, was wir wie und warum tun.

  • Meditation

Die Praxis der Meditation wird im dritten Kapitel als viniyoga (YS 3.6) beschrieben. Damit ist ein schrittweises Vorgehen gemeint. Wenn die Fähigkeit, die Sinne zurückzuziehen (pratyāhāra) vorhanden ist, kann die Aufmerksamkeit bei einem Objekt bleiben (ekagra). Das ist der Zustand von dhāranā. Wenn wir dann immer länger ohne innere oder äußere Ablenkung die Aufmerksamkeit dort halten können wird aus der Praxis dhyāna. Die Meditationspraxis steht und fällt mit der Vorbereitung des Geistes im Sinne des Yogasutra. Welches Objekt wir wählen oder welche der Meditationsformen ist davon unabhängig. Es gibt keine Abkürzung. Ehrgeiz und Wollen sind kontraproduktiv.


Was bedeutet dhyāna im Alltag?

Dhyāna ist im Alltag eine große Herausforderung. Das Motto ist eher multitasking, Schnelligkeit und Effizienz. Durch die Fähigkeit zu dhyāna kann vieles nicht nur schneller und effizienter, sondern auch mit weniger Fehlern erledigt werden, aber es fehlt uns an der Fähigkeit zu fokussieren. Während wir das eine erledigen, sind die Gedanken schon bei der nächsten Sache.

Auch kann dhyāna unsere Beziehungen verbessern. Das Gefühl, das jemand ungestört zuhört – in Zeiten des Smartphones- verbessert nicht nur die Beziehung sondern auch die Kommunikation, weil das Gesagte, die Sprache und Mimik vom Gegenüber aufgenommen wird und sich dadurch Missverständnisse vermeiden lassen sowie mehr Anteilnahme und Verständnis möglich ist. Mit ungeteilter Aufmerksamkeit bei der anderen Person zu sein bedeutet auch, nicht schon gedanklich zu bewerten und sich eine Reaktion zu überlegen bevor die ganze Information angekommen ist.

Dhyāna verbessert auch die Beziehung zu uns selbst, weil wir mit uns in Kontakt sind, unsere Muster, Gedanken, Gefühle und Bedürfnisse spüren und ein authentischeres, echtes Leben leben können.

Die Praxis von dhyāna auf der Yogamatte fällt sicher leichter als im Alltag. Mit Geduld, Beharrlichkeit (abhyāsa YS 1.13) und Vertrauen (shraddā YS 1.20) und einer regelmäßigen Praxis über eine lange Zeit verändern wir die Funktionsweise des Geistes und bringen nach und nach auch mehr dhyāna in den Alltag. Der Gewinn ist, dass wir tiefer mit dem Leben verbunden sind und die Lebensqualität sich deutlich verbessert.

Die Datei mit der Aussprache der Sanskritbegriffe